Quelle: Sonntagsblatt, 07.07.2021. Autor: Gabriele Ingenthron
Auf einem parkähnlichen Friedhof Kaffee trinken und dabei den Blick über denkmalgeschützte Grabmale schweifen lassen: Auf dem Evangelischen Zentralfriedhof in Regensburg ist das ab Oktober möglich.
Der Evangelische Zentralfriedhof gilt Perle unter den bayerischen Friedhofsanlagen: Im Jahr 1898 eröffnet, wurde er wie ein englischer Landschaftsgarten im Süden Regensburgs angelegt.
Noch wirkt die historische Bethalle auf dem Mittelplateau des Friedhofs wie eine Baustelle. Die hohen Jugendstil-Fenster sind von innen verklebt, Handwerker verlegen Leitungen für den künftigen Kaffeehausbetrieb. Nur die kunstvoll verzierten Säulen lassen die einstige Anmut des Raums erahnen: Bis Mitte August werden die Handwerker dem denkmalgeschützten Gebäude auf dem Evangelischen Zentralfriedhof in Regensburg seinen letzten Feinschliff geben, sagt Klaus Neubert von der Kirchenverwaltung. Bis Ende September sei auch die Küche geliefert und eingebaut, sodass ab Oktober ein Begegnungscafé mit 35 Plätzen innen und 20 im Freien in Betrieb gehen kann.
Friedhof mit Café: Ort der Ruhe – auch für Lebende
Immer mehr Friedhöfe öffnen sich auf diese Weise für die Lebenden. Jenseits von Grabpflege und Trauerfeierlichkeiten werden innerhalb der Friedhofsmauern Lokale eröffnet, wie in Berlin oder Karlsruhe, um sie als Begegnungsorte und Oasen der Ruhe inmitten der Betriebsamkeit des Lebens anzubieten. „Wir finden, dass der Friedhof ein Ort ist, an dem man zur Ruhe finden, mit anderen reden und sich austauschen kann“, erläutert der Diakon.
Ähnliche Projekte gibt es bereits in anderen Städten: So soll München ein Friedhofscafé bekommen, wenn das neue Krematorium am Ostfriedhof gebaut ist. In Erlangen und Fürth stehen mobile Cafés. Hier versorgen Kaffee-Wagen die Besucher mit warmen Getränken auf dem Gottesacker. In Würzburg gibt es ein Café, das gegenüber vom Waldfriedhof liegt.
Auch Konzerte und stille Hausmusik geplant
In Regensburg haben sich die Verantwortlichen ein umfassendes Konzept dazu ausgedacht. So ist unter anderem geplant, in einer abgeschirmten Ecke des Lokals auch Seelsorgegespräche anzubieten. Das Evangelische Bildungswerk wolle Infoveranstaltungen zu Beisetzung und Testament anbieten, der Hospizverein Trauerbewältigungskurse. Aber auch an Konzerte und stille Hausmusik sei gedacht, sagt Neubert: „Gerne werden Tod und Trauer weggeschoben, aber der Tod gehört einfach zum Leben dazu. Man sollte sich rechtzeitig damit beschäftigen, dann verliert er vielleicht auch seinen Schrecken.“
Friedhöfe als Lebensorte, die in die Mitte des Lebens gehören: Die evangelische Kirche in Bayern beschreitet damit Neuland. Als die Idee vor sechs Jahren aufkam, habe es auch kritische Stimmen gegeben: Kann man auf einem Friedhof eine gute Zeit haben, würde das nicht als pietätlos gelten, wurde gefragt. Neubert hält dagegen: „Wir bieten uns an, wo Menschen alleine sind, trauern und ihre Nöte haben.“ Damit hätten die Regensburger auch die Kirchenleitung in München überzeugt. „Jetzt ist es ein Vorzeigeprojekt“, sagt er nicht ohne Stolz.
Menschen mit Behinderung sind beteiligt
Das Projekt geht auch noch in anderer Hinsicht neue Wege. Denn Kaffeehausträger ist die Lebenshilfe Regensburg. Das heißt, dass sich aus dem Bereich der Lebenshilfe zum ersten Mal Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt behaupten werden, sagt Werkstättenleiter Rolf-Dieter Frey. Ein Team aus bis zu zwölf Personen werde das Café mit einem Projektverantwortlichen betreuen. „Vielleicht müssen die Gäste an manchen Stellen etwas mehr Geduld mitbringen“, sagt Frey, „aber dafür erhalten sie in der Regel von unseren Menschen eine unheimliche Freude und Freundlichkeit zurück.“
Die Lebenshilfe möchte mit dem Café nicht nur Trauernde ansprechen. „Wir wollen Menschen zu uns locken, die ihren Kaffee in Ruhe und auf einem so schönen Areal mit altem Baumbestand genießen wollen“, sagt der Werkstättenleiter. Dabei denke er vor allem an die Besucher des nahe gelegenen Einkaufszentrums.
Friedhof gilt als Perle unter bayerischen Anlagen
Der Evangelische Zentralfriedhof in Regensburg gilt als Perle unter den bayerischen Friedhofsanlagen: Im Jahr 1898 eröffnet, wurde er wie ein englischer Landschaftsgarten im Süden Regensburgs angelegt. „Und mittendrin liegt unser wunderschönes Café, das erste in dieser Form in Bayern“ sagt Neubert.
Einen Vorgeschmack auf das Kaffeehaus gibt es am 12. September zum Tag des Offenen Denkmals. Von 10 bis 17 Uhr werden Friedhofsführungen mit Außengastronomie angeboten. Unter anderem soll an diesem Tag auch das Dörnberg-Mausoleum mit seinen einzigartigen Mosaiken geöffnet sein.