Ein Ort für Tod und Trauer wendet sich den Lebenden zu. Mit neuen Angeboten für Bestattung und Kommunikation und einem grünen Erscheinungsbild lädt der Friedhof Bietigheim künftig zum Verweilen ein.
Bietigheim, die 6.500 Einwohner große Stadt bei Rastatt in Baden-Württemberg, treibt den Wandel des örtlichen Friedhofs vorwärts. Noch in diesem Jahr werden erste Teilflächen umgestaltet und neue Angebote eingeführt.
Dabei zeigt die kleine Gemeinde Freude an Innovation und Experiment: Die Ohlsdorfer Trauerhaltestelle, eine begehbare Skulptur, in und auf der Menschen per Kreidestift Grüße und Botschaften hinterlassen können, stand Pate bei der Entwicklung der sogenannten Trauertafeln. Sie bilden wie das Hamburger Vorbild einen Ort für aktive Trauerarbeit und stille Kommunikation. Unkonventionelles Angebot für den Aufenthalt sind auch die frei aufgestellten, farbenfrohen Stühle, die statt fest verorteter Sitzbänke angeboten werden. Friedhofsbesucher*innen können diese Stühle an Gräbern aufstellen und dort Zeit verbringen, aber auch auf geeigneten Freiflächen zu kommunikativen Gruppen zusammentragen. Aktive Trauerarbeit kann künftig in neuer Qualität stattfinden.
Das vorhandene Grabangebot wird erweitert: Neue Urnenstelen, eine gärtnergepflegte Urnengemeinschaftsfläche in der Art eines Hochbeetes, Baumgräber, Urnenwiesengräber und eine letzte Ruhestätte für Aschen aus Urnenwänden bilden zusammen mit den vorhanden Grabvarianten ein vielfältiges Angebot, aus dem die Bürger*innen künftig die für ihre Bedürfnisse geeignete Grabart auswählen können. Die Sanierung von Wegen und Begrünungsmaßnahmen runden das Programm ab.
Abbildung 1: Entwurfsskizze „Trauertafeln“: Auszug aus der Friedhofskonzeption, Corinna Wassermann (stadt landschaft plus Landschaftsarchitekten GmbH)
Rahmenplan für Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Bürgerfreundlichkeit
Die aktuellen Planungen fußen auf dem Friedhofskonzept, das die Stadt von den WEIHER Friedhofexperten mit dem Netzwerkbüro Stadt Landschaft + aus Karlsruhe hat erarbeiten lassen. Die Ergebnisse der vorgeschalteten Phasen Strategietag, Digitalisierung und Bodengutachten und eine vertiefte Friedhofsanalyse waren dort in einen zukunftsfähigen Rahmenplan überführt worden. Dieser setzt drei Schwerpunkte: Zum einen, bestehende Sarggrabstrukturen in flexible Bereiche für gemischte Sarg- und Urnengrabangebote zu wandeln und so eine Basis für einen dauerhaft wirtschaftlichen Umgang mit Grabflächen zu schaffen. Zum zweiten, das Spektrum der pflegefreien Grabarten zu erweitern und würdige Ergänzungsangebote zu machen. Zum dritten, durch einladende Angebote und ein grünes Erscheinungsbild eine dem Leben zugewandte Friedhofsnutzung zu unterstützen.
Perspektivwechsel: Ein neues Verständnis der Funktion „Friedhof“
Das Projekt zeigt: Den örtlichen Friedhof nicht nur als Ort der Toten, sondern auch – und vielleicht sogar in erster Linie – als einen Ort für Menschen in Trauer- und Krisensituationen zu verstehen bedeutet, ihn konsequent in eine neue Form der traditionellen Institution Friedhof zu übersetzen und als einen freundlichen, kontemplativen Ort zu gestalten, der trösten kann.
Bietigheim hat sich auf den Weg gemacht.